September

 

Wie man sich irren kann.

 

Ich saß in meiner Frühstücksecke und beobachtete die Vögel, die von den Zweigen hin zu meiner Futterstation am Fenster hüpften. Direkt vorm Fenster beginnt im Grunde der Wald. Meist sind es ja die Singvögel, die auf das schmale Fensterbrett kommen. Aber die letzten Monate waren auch größere Vögel da (siehe andere Blogeinträge). Trotz ihrer Größe waren es geschickte Flieger.

Einige Minuten später landete auf einem dicken Ast, einige Meter entfernt, eine Taube. Ich hab die Taube schon öfter beobachtete, seit knapp zwei Jahren, sehe ich sie ab und zu. Sie beobachtet die Futterstation immer so, als würde sie ebenfalls gerne hinkommen, wagt es nur nicht. Aber immer hatte ich nur eine Taube beobachtet. Doch diesmal, landete ein paar Minuten später, direkt hinter ihr eine andere Taube.

Wow, dachte ich so bei mir. Sie hat ja einen Partner gefunden und ist endlich nicht mehr allein. Ich freute mich für die Taube. Beide Tauben saßen nun nebeneinander, mal streckte die eine die Flügel und mal die andere. Und immer fest mit den Blick auf die Futterstation geheftet. Sie wirkten vertraut und dennoch gab es zwischen ihnen keine direkten Liebesbekundungen.

Auf einmal flog die Taube auf, die zuerst auf dem Ast gelandet war. Einen Moment später setzte eine weitere Taube zur Landung an, etwas weiter weg – ebenfalls auf einem dicken Ast. Drei sind einer zu viel dachte ich und war gespannt, wie das jetzt weiter gehen würde. Schon flog die als zweites gekommene Taube auf und setzte sich zur dritten Taube. Eifrig begann da ein Geschnäbel. Die Schnabelspitzen berührten sich heftig, als würden sich da zwei Schwerter treffen und zum Kampf ansetzen. Doch dann, ich dachte ich seh nicht richtig, unterwarf sich die eben heran geflogen Taube. Sie machte sich kleiner, streckte die Flügel leicht und riss den Schnabel auf. Die Taube ihr gegenüber wippte mit dem Schnabel. Die Fütterung begann.

Erst jetzt wurde mir klar, diese beiden Tauben, die ich zuerst gesehen hatte, waren zwei Jungtiere. Somit hatte die einzelne Taube wohl schon im Frühjahr einen Partner gefunden und jetzt war sie nicht nur, nicht mehr eine Solo-Taube, sondern hatte eine ganze Familie. Eine Familie, die mindestens aus vier Vögeln besteht – soweit ich das bis jetzt gesehen habe.

Wie oft beobachten wir Menschen eine einzelne Situation und urteilen darüber, ohne die Hintergründe zu wissen. Eine einzelne Szene kann durchaus eine vollkommen andere Botschaft enthalten, genauso wie einzelne Sätze und Wortfragmente von Menschen, die uns nur kurz begegnen und mit uns sprechen.

Die Welt ist mehr als nur einzelne Bildfetzen, die wir nur getrennt voneinander betrachten. Um die wahre Botschaft zu verstehen, müssen wir offen sein und uns immer wieder umschauen. Gemeinschaftlich miteinander umgehen, uns ehrlich austauschen ohne Hintergedanken.

 

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