Hungrig nach Blut

Die Larve einer Stechmücke hängt direkt an der Wasseroberfläche und atmet mit ihrem Hinterteil!
Die Larve einer Stechmücke hängt direkt an der Wasseroberfläche und atmet mit ihrem Hinterteil!

Jeder hat so seinen ganz eigenen Geschmack. Unsere Spezies steht nun mal auf Kohlendioxid - ein Abfallgas, das viele Lebewesen beim Ausatmen produzieren und vor dem sich viele fürchten. Denn wer zuviel davon einatmet, der erstickt.

 

Uns zeigt es allerdings die Spur zu einer neuen Nahrungsquelle, die viele Proteine enthält. Und das ist wichtig, vor allem für die Weibchen aus unserer Population. Wir brauchen Blut, damit sich die Eier in unserem Bauch entwickeln können. Pflanzliche Nahrung reicht dafür nicht aus und da wir kein Kauwerkzeug besitzen, um andere Mücken zu fangen, mussten wir uns im Laufe der Evolution was einfallen lassen, um unseren Fortbestand zu sichern. Wir Weibchen fressen zwar auch Nektar wie die Männchen, aber nur so lange es nicht um die Fortpflanzung geht.

 

Wenn unser Stamm nicht auf der Nahrungs-Beliebtheits-Liste von viele Lebewesen ganz oben stünde, müssten wir uns auch nicht so abmühen, um auf schnellstem Wege unseren Nachwuchs bekommen zu können. Egal ob Jagdinsekt, Spinnentier, Vogel, Spitz oder Fledermaus - sie alle gründen ihre Existenz auf unseren Stamm und den unserer Verwandten.

Obwohl, einer unserer Fressfeinde ist inzwischen bedenklich in der Unterzahl… von den roten Wespen habe ich schon lange keine mehr gesehen und sie sind ausgezeichnete Jäger und wir stehen ganz oben auf ihrem Speiseplan...

 

Nicht alle Mücken trinken Blut, aber die haben nun mal auch Beißwerkzeuge an ihrem Maul erhalten. Unsereins nicht!

 

Zudem hat unserer Methode den Vorteil: Wir müssen niemanden töten. Wir nehmen uns nur ein Stück dessen, von dem das Lebewesen mehr als genug hat, mehr nicht. Ist doch im Grunde sehr sozial, oder?

Und das bisschen Blutverflüssigungs-Stöffchen, das wir dann in die Einstichstelle geben, ist auch recht human. Anders wie die Tatsache, dass die Menschen zum Beispiel den Kühen eine Schwangerschaft aufzwingen, ihnen die Babys nach der Geburt wegnehmen und töten, nur um ihnen das weiße Blut abzapfen zu können.

Doch damit nicht genug! Unser Stamm der Stechmücken hilft den Menschen sogar! Einigen dienen wir als Inspiration. - Ohne das Model unseres perfekten Stechrüssels hätte der Technikerstamm unter den Menschen niemals die schmerzfreie Spritzennadel erfinden können.

 

Und wen die juckende Wunde zu sehr stören sollte, braucht sich ja nicht zu kratzen. So was nennt man auch Selbstkontrolle! Ein weiterer Punkt auf meiner Pro-Liste. Denn diese Fähigkeit zu erlernen ist für den Stamm der Menschen meines Erachtens überaus wichtig. Es geht nicht, sich ständig von Kleinigkeiten ablenken zu lassen, wo es doch die großen Probleme gibt, denen Aufmerksamkeit zu schenken wäre.

 

Des Weiteren gibt es auch bei Mutter Natur entsprechende Hilfsmittelchen, die heilend für die Haut sind. Es braucht da keine neuen chemischen Erfindungen! Wurde alles schon vor Millionen Jahren vorbereitet und in die Wege geleitet.

 

Außerdem können wir nichts dafür, wenn wir mal aus versehen verseuchtes Blut trinken. Denn wir verlassen uns ja auf unseren internen Wirkstoff, der antibakteriell wirkt. Wir haben leider keinen eingebauten Detektor, mit dem wir feststellen könnten, ob das Blut eines Lebewesens angereichert ist mit irgendwelchen Virenstämmen. Wir haben nur einen Sensor dafür wie das Blut beschaffen ist… idealerweise sollte das Blut über nackte Blutkörperchen verfügen, die lassen sich besser verdauen - in der Sprache der Menschen ist das die Blutgruppe Null.

Vermutlich hassen und jagen uns die Menschen hauptsächlich, weil sie glauben wir wären gefährliche Krankheiten-Überträger. Doch, was das betrifft gibt es da auch eine andere Seite der Wahrheit: Unsere Vorfahren waren nicht ganz unbeteiligt an der evolutionären Entwicklung der Menschen. Ja, ganz richtig gehört! Wir Stechmücken haben unseren Beitrag geleistet, damit der Mensch sich zu einem Menschen hat entwickeln können!

Denn irgendwie mussten bei den Reptilien und Säugetieren ja auch bestimmte Bausteine eingeschleust werden, die eine Umentwicklung bewirkten. Spritzen und Chemielabors gab es damals ja noch nicht!

Doch, wie es bei Veränderungen so ist, nicht jede Art kommt damit zurecht. Und wer sich dagegen sträubt, den rafft das Schicksal dahin, das hatten wir ja schon mal vor knapp 65 Millionen Jahren.

 

Und wenn die Menschen wirklich glauben, von uns gäbe es zu viele, dann sollten sie sich mit Libellen, Eintags- und Köcherfliegen zusammen tun. Deren Larven haben unsere Jungen im Wasser zum Fressen gern.

Doch stattdessen werden ganze Wasseroberflächen versiegelt und Gewässer vergiftet, was für viele Arten den Tod bedeutet! - Aber so sind die Menschen, sie konzentrieren sich nicht auf das große Ganze, sondern nur auf Kleinigkeit. Sie regen sich über ein Steinchen auf, das sie in die Fußsohle kneift, aber die Flutwelle, die donnernd auf sie zurollt, bemerken sie nicht!

 

Marena Trunkenbolde, Stechmücke